Die strandgesäumten Ufer des südwestindischen
Bundesstaates Kerala, genannt Malabar- oder Pfefferküste, entsprechen so den
westlichen Vorstellungen eines Tropenparadieses, daß sich jede weitere
Erklärung dazu erübrigt.
Schon vor Jahrhunderten waren die Häfen an der Malabarküste
Umschlagspunkt für die Gewürze aus dem Hinterland, unerreichbar für die
Europäer der frühen Neuzeit. Zumindest solange, bis die portugiesische Weltmacht
zu Beginn des 16. Jahrhunderts einen gewissen Vasco da Gama losschickte, um den
Weg zur Pfefferküste zu finden.
Für Portugal war das Unternehmen erfolgreich, für Vasco
da Gama selbst weniger: seinen Grabstein kann man immer noch in Kochi sehen.
Auch heute noch, bzw. heute wieder, ist Kerala einer der wohlhabendsten
Bundestaaten Indiens.
Einen erheblichen Anteil an der Prosperität dort haben
die Überweisungen der Landsmänner, die in Dubai und Doha auf Baustellen und in
Hotels schuften; „Western Union“ sei Dank.
Für mich aber zählt im Rückblick das Flair der
Malabarküste zu den schönsten und intensivsten Eindrücken der Dekade, die ich
in Südostasien verbringen konnte.
Sind genau so scharf, wie sie aussehen: Getrocknete Chilischoten, fertig zum Verkauf. |
Hipster cruisen auf Royal Enfields vor zerfallenden
Häusern aus der portugiesischen Kolonialzeit, aus den Szenekneipen dröhnt
Bollywood und in der Luft hängt der Geruch von exotischen Gewürzen – das ist
Fort Kochi an der Malabarküste im Bundesstaat Kerala.
In uralten Lagerhäusern der Großhändler rund um die Bazar
Street stapeln sich Jutesäcke mit Kardamom,
Chilis und Pfefferkörnern, konfektioniert auf Waagen, die schon zu Queen
Victorias Zeiten in Gebrauch waren.
All das sind die Einzelteile, die sich zu dem
faszinierenden Kulturpuzzle Kochis zusammenfügen. Holländer, Briten, dazwischen
irgendwie auch Araber und Juden, haben Anteil daran. Dazu kommt heute eine
junge und hippe Atmosphäre, wunderbar easy und entspannt, zumindest für
indische Verhältnisse.
Das ist es, was Kerala für mich ausmacht: der Mix aus
quirligem südindischen Leben und der Ruhe der Backwaters, der Kontrast der
durch die Hitze flirrenden Luft an den Stränden zu den kühlen, nebelverhangenen
Berghängen und die zumindest oberflächlich spannungsfreie Koexistenz von
Religionen und Menschen.
Fort Kochi ist cool, ein Ort für (Lebens-) Künstler. |
Der Friedhof der alten jüdischen Gemeinde Kochis. Die meisten Mitglieder sind allerdings im Laufe der Jahre nach Israel ausgewandert. Vielleicht gerade deshalb ist die Malabarküste heute ein beliebtes Reiseziel für junge Israelis vor Beginn des Militärdienstes. |
Mittags um 12 werden im Hof des Jain-Tempels die Tauben gefüttert. |
Ein Schauspieler schminkt sich für eine Kathakali-Aufführung. Taubstumme sind häufig die Darsteller in dieser Kunstform. | Kathakali-Kunst ist eine jahrhunderte alte Tradition im Hinduismus. Besonders in Kerala wird diese Kunst gepflegt und weiterentwickelt. |
Küstenfischerei ist ein klassischer Wirtschaftszweig
Keralas, der allerdings heute unter ökonomischem Druck steht.
Ein Ausweg kann auch hier der Tourismus sein, denn gerade
in Kochi wird mit einer einmaligen archaischen Methode den Schuppentieren
nachgestellt, mit den „Chinesischen Fischernetzen“. Sie bilden außergewöhnliche
Fotomotive und sind fester Anlaufpunkt für Reisende an der Malabarküste.
Ausladende Netze hängen an hölzernen Kranarmen und
bewegen sich nur durch Muskelkraft und Geschicklichkeit der Fischer auf und ab.
Der Fang wird anschließend sofort verkauft oder in kleinen Restaurants
zubereitet. Ein Paradies für Gourmets!
Gesandte Kublai Khans brachten die Technologie angeblich
im 13. Jahrhundert aus China mit nach Südindien.
Dort bilden ihre groben hölzernen Hebegerüste heute einen
scharfen Kontrast zu den filigranen Stahlkonstruktionen der Containerterminals
am anderen Ufer der Bucht.
Die "Chinesischen Fischernetze" Kochis bilden eine ideale Kulisse für den Sonnenuntergang über dem Arabischen Meer. |
Nur durch Balancieren auf dem hölzernen Kragarm schafft es der Fischer, das Netz zu heben und zu senken. | Felsbrocken bilden das Gegengewicht für die Netze; die Bedienungscrew besteht aus 5-6 Fischern. |
Abends wird der Fang der Küstenfischer unmittelbar am Strand verkauft. | Ein Strandfischer ordnet sein Netz. |
Berühmt sind die Backwaters der Malabarküste, Lagunen aus
Brackwasser in unmittelbarer Küstennähe.
Palmen und Gewürzgärten säumen die Ufer. Es ist die pure
Erholung auf einem Boot, nur bewegt von der Muskelkraft des Bootsmannes, in
völliger Ruhe die Wasserstraßen entlangzugleiten.
Touren starten meist in Alleppey und sind in den Büros
von Reiseagenturen in Fort Kochi problemlos zu buchen. Der Besuch eines Dorfes
samt Mittagessen gehört dazu.
Für manche Reiseautoren zählt eine Bootstour durch die
Backwaters zu den Höhepunkten einer Indienreise überhaupt.
Soweit würde ich jetzt nicht gehen, doch ist ein Besuch
dort für Naturfreunde uneingeschränkt zu empfehlen; ein nicht alltägliches
Erlebnis!
Der Dschungel rund um die Backwaters. | Nur mit Muskelkraft bewegt er das Boot. |
Synonym für die Tropen: Kokospalmen | Spülen ist nicht nötig nach einem traditionellen Lunch. |
Etwa 100 Kilometer entfernt von Kochi, die Abhänge der
Westghats hoch, betritt man eine andere Welt.
Munnar ist eine alte „Hill Station“, ein Ort, an dem die
Beamten der britischen Kolonialverwaltung der Sommerhitze entflohen und bei
einer Tasse Tee entspannten.
Der Kontrast zu den Stränden an der Küste kann nicht
größer sein. Statt drückender Hitze angenehme Kühle, Nebel statt flirrender
Luft.
Sattes Grün ist die bestimmende Farbe hier, das Grün der
Teesträucher. Der dunkle Tee aus Munnar ist berühmt in ganz Indien.
Problemlos läßt sich in Kochi ein Taxi für eine Fahrt
dorthin chartern. Manchmal wird die Fahrt aber unterbrochen und man muß eine
kurze Zeit warten. Der Grund wird angezeigt durch Straßenschilder, die vor
Wildwechsel warnen. Es sind allerdings keine Rehe, die die Straße blockieren,
sondern die Tiere, die auf den Schildern stilisiert dargestellt werden: Groß,
breit und mit langer Nase.
Die Elefanten leben in den Ghats und lassen sich manchmal an der Straße blicken.
Auch das ist Kerala: Sattes Grün in den Westghats. |
Und klar, das Handy gehört überall dazu! | Der schwarze Tee aus Munnar ist so bekannt wie der aus Darjeeling. |