„Dongbei“, auf deutsch „Ost-Norden“, ist die Bezeichnung für die drei
Provinzen am eiskalten nordöstlichen Ende Chinas. Von den großen Städten hier -Harbin,
Changchun und Shenyang- ist die Entfernung nach Wladiwostok geringer als die in
die chinesische Hauptstadt. Russisch, aber auch koreanisch und japanisch
beeinflusst sind deshalb die Stadtbilder. Koreaner stellen einen Teil der
Bevölkerung. Den Großteil aber machen die Man aus, die Mandschuren, nach denen
das Gebiet früher auch genannt wurde. Die Japaner schließlich besetzten die
Gegend Mitte des letzten Jahrhunderts, etablierten dort einen Staat ihres
Gnadens und bauten die Schwerindustrie auf.
Die war dann nach dem Krieg das industrielle Herz der jungen Volksrepublik:
Kohle, Stahl, Zement. Kein Wunder, daß hier nach der wirtschaftlichen Öffnung
des Landes unter Deng Xiaoping Anfang der 80er Jahre westliche Konzerne schon
früh Joint-Ventures bildeten. Volkswagen, Airbus und General Motors sind nur
einige davon.
Und ein wenig wird man auch immer schadenfroh belächelt (oder man bekommt
wenigstens tröstend auf die Schultern geklopft), wenn ein beruflicher
Aufenthalt in dieser Region Chinas ansteht.
Sicher, die Industriestädte dort sind immer noch von ihrer sozialistischen
Aura umgeben und hippe Kneipen gibt es in Shanghai. Dafür aber ist das Leben in
Dongbei etwas weniger hektisch, überschaubarer, und es gibt viel zu entdecken!
Ja, es stimmt auch, die Wintermonate sind kalt, Temperaturen von unter -20°C
sind dann keine Seltenheit. Aber durch ein relativ ortsfestes
meteorolgisches Winterhoch scheint dann fast täglich die Sonne, und
Schmuddelwetter wie in Deutschland kommt nicht vor.
Übrigens sind die Wohnungen in dieser Zeit durch Fernwärme auch angenehm
temperiert. Wer jetzt meint, das sei doch selbstverständlich, dem lege ich mal
einen Besuch im Januar in Shanghai nahe……
Falls Sie es bis jetzt noch nicht gemerkt haben: Ich bin gerne im
Nordosten. Es ist so ganz anders dort als in den Metropolen an der Küste und
ein Besuch ist sicher eine Bereicherung jedes Chinaaufenthaltes. Einige
Anregungen finden Sie hier.
Winter in Dongbei, Oktober bis April | Sommer in Dongbei, Juni bis September |
Bis 1945 war
Changchun die Kapitale von Manchukuo, der japanisch besetzten Mandschurei. Als
Staatsoberhaupt inthronisierten die Japaner Pu Yi, den 1912 gestürzten letzten
chinesischen Kaiser. Sogar einen Palast stellten sie ihm zur Verfügung, wobei die
Bezeichnung eigentlich ein wenig hochgegriffen ist. Das Gebäude war ein
repräsentatives früheres Handelshaus und man wird den Eindruck nicht los, daß
es lediglich als goldener Käfig für eine Marionette von Japans Gnaden diente.
Als Folge der
Kapitulation der japanischen Armee war auch die Zeit Pu Yis abgelaufen. Er
starb 1967 in Beijing, wo er nach diversen „Umerziehungen“ als Gärtner unter
Protektion der kommunistischen Partei arbeite.
Seinen
bescheidenen Regierungssitz in Changchun kann man heute besichtigen. Natürlich
wird seine Geschichte durch die Brille der kommunistischen Staatsdoktrin
dargestellt, doch ist die Ausstellung deutlich weniger ideologisch aufgeladen
als zu erwarten wäre. Überall sonst in China wird die Zeit vor Mao meist
totgeschwiegen oder völlig verzerrt dargestellt. Gerade deshalb bietet ein
Besuch im Palast des letzten Kaisers in Changchun die Gelegenheit, selbst auf
Spurensuche gehen zu können.
Der bescheidene Palast des Herrschers von Mandschukuo und letzten Kaisers von China |
Nachgestellte Szene im Palastmuseum: Pu Yi empfängt seine Befehle vom japanischen Kommandeur |
Japanische Monumentalarchitektur erdrückt von modernen Hochhäusern in der Renmin Lu, Changchun. |
Über dem alten Kultusministerium von Manchukuo weht heute die rote Fahne. Changchun, Renmin Lu. |
Nein, das war nicht Rüsselsheim in den frühen achtziger
Jahren – oder doch: Rüsselsheim, Wolfsburg, Flint, Ellesmere Port, Mlada
Boleslav- Städte, die um eine Autofabrik gewachsen sind. Und es ist Changchun
mit seinen Fabriken von FAW, Volkswagen und Toyota, in denen im Jahr mehrere
hunderttausend Autos gebaut werden. Changchun verschlingt Stahl, Gummi und
Farbe und spukt Autos aus.
Zusätzlich ist in Changchun auch noch die neuere Geschichte
Chinas wie in einem Brennglas gebündelt: Monumentalarchitektur aus der japanischen
Besatzungszeit, der Palast von Pu Yi, des letzten chinesischen Kaisers von
Japans Gnaden und die „Straße der Befreiung“, die vor ein paar Jahren immer noch
„Stalinboulevard“ hieß.
Und das ist es auch, was Changchun so interessant macht:
Bodenständigkeit, harte Arbeit und Geschichte zum Anfassen. Ohne Schnörkel und
Pathos, dafür unaufdringlich, aber direkt spürbar.
Und deshalb fühlte ich mich schnell, zumindest ein wenig,
heimisch in Changchun, denn es hat mich in vielem an die frühen 80`er in meiner
Heimatstadt Rüsselsheim erinnert. Naja, zumindest bis auf das Essen, denn das
ist in Changchun viel besser.
Sanierte Wohnblöcke aus den 60´ern. Die in der 2. Reihe sehen ganz anders aus. |
Changchuns moderne Wohnviertel. Die rote Konstruktion im Vordergrund ist übrigens ein Hydrant |
Kneipen anderswo stellen Kunst aus, in Changchun nimmt man dafür eine alte Fräsmaschine sowjetischer Bauart. | Auch das ist Changchun: Der Banruo-Tempel vor der Kulisse eines modernen Wohnblockes. |
Sind die chinesischen
Millionenstädte oft etwas langweilige Ansammlungen moderner viereckiger
Wohnblocks, die sich um ein Einkaufszentrum gruppieren, dominieren in Harbin
die Jugendstilfassaden des frühen 20. Jahrhunderts. Russen waren lange präsent
in diesem Teil Chinas, kyrillische Schriftzeichen verbleichen heute an den
Häuserwänden. Harbin war die Hauptstation an der „Mandschurischen Eisenbahn“,
die die Verbindung von Sibirien zu den eisfreien Häfen an der Bohai-Bucht
herstellte.
Die einst
orthodoxe Sophia-Kathedrale im Zentrum Harbins illustriert heute als Museum die
Geschichte und ist darüber hinaus eine beliebte Kulisse für Hochzeitsfotos.
Ohne Schwierigkeiten ist es heute möglich, per Flugzeug oder Zug nach Harbin zu
reisen, einen wirklich besonderen Ort in China.
Harbin, die Stadt des Eises. Hier augenscheinlich demonstriert an der Jugendstilfassade der alten Zigarettenfabrik |
Was die Zukunft bringt? Dieser Herr weß es ganz genau! Kontakte kann ich gerne vermitteln. |
Fassaden aus Harbins russischer Vergangenheit. |
Die Kathedrale der Heiligen Sophia, heute der Foto-Hotspot in Harbin. | Das Innere beherbergt ein sehenswertes Museum über die Bedeutung der Stadt im frühen 20. Jahrhundert |
Jugendstilornamente an einer Brücke über die Gleise der "Mandschurischen Eisenbahn". |
Die Luft am Fuße des Berges ist dann so ganz anders als die
in den chinesischen Metropolen: klar, frisch und aromatisiert. Man glaubt, in
einem europäischen Mittelgebirge zu sein, doch tatsächlich befindet man sich in
Nordostchina, etwa 450 km östlich von Changchun, unmittelbar an der
nordkoreanischen Grenze.
Der Changbaishan, der „ewig weiße Berg“, ist ein ruhender
Vulkan von ca. 2400 m Höhe. Zuletzt ausgebrochen vor ca. 250 Jahren, hat sich
die Caldera seitdem mit Wasser gefüllt: der „Himmelssee“, der touristische
Hotspot in Nordostchina.
Seinen Namen hat der Berg übrigens von den fast weißen
Vulkanascheablagerungen im Gipfelbereich erhalten. Die ganze Gegend um den Berg
ist einer der größten Nationalparks Chinas und Lebensraum für den asiatischen
Tiger, wobei die Wahrscheinlichkeit, einen zu Gesicht zu bekommen, aber gleich
null ist.
Am schnellsten zu erreichen ist das Gebiet über den kleinen
Flughafen Changbaishan, der täglich von Changchun, Beijing und anderen
nordchinesischen Städten angeflogen wird. Eine Erkundung des Changbaishan
dauert einen vollen Tag und beginnt an einem der Eingänge im Westen oder Osten
des Naturparks.Individualität ist zumindest offiziell in China nicht
vorgesehen, auch beim Wandern nicht. Die Besuchergruppen werden deshalb in
Bussen zur Bergstation gefahren, von wo aus es über 1500 Stufen steil nach oben
zum Himmelssee geht. Wieder zurück an der Bergstation fährt der Bus noch einige
schöne Stellen in den Wäldern ab, bevor er wieder den Parkeingang erreicht.
Eigentlich keine schlechte Idee, denn so wird die Natur in Schutz genommen vor
unkontrollierten Besucherströmen – die man als Einzelwanderer allerdings nicht
umgehen kann.
Die allermeisten Touristen kommen aus Nordchina selbst,
einige Russen sind dabei, Westler selten und dann meist die Expatriates aus den
Industriestädten Changchun und Shenyang. Es ist eben ein beliebtes Ausflugsziel
und die touristische Infrastruktur am Fuße des Berges wird auch noch ausgebaut.
Nichts desto trotz aber ist eine Tour zum Changbaishan ein
tolles Naturerlebnis und eine kleine Flucht aus den Betonwüsten der
chinesischen Städte, übrigens auch eine der wenigen Möglichkeiten auf
Tuchfühlung zum nordkoreanischen Staatsgebiet zu gehen.
Tuffklippen im Nationalpark Changbaishan. |
Mal rüberschwimmen? Nur zu! Auf der anderen Seite beginnt das Staatsgebiet von Nordkorea..... Der "Himmelssee" in der Caldera des Changbaishan. |
Hier irgendwo versteckt sich der sibirische Tiger. | Und nach der Tour gibt es Hühnereier, gekocht im heißen Wasser einer Quelle am Changbaishan. |